Die G-7-Staaten dringen auf Harmonisierung der Vergabebedingungen und -verfahren für Investitionen. Insbesondere deshalb stimmen die multilateralen Entwicklungsbanken ihre Vergabepolitik seit geraumer Zeit aufeinander ab.

Die multilateralen Entwicklungsbanken und FIDIC hatten in den Jahren nach der Veröffentlichung der FIDIC Vertragswerke 1999  aus oben stehenden Gründen vereinbart, eine “harmonisierte Fassung” des Red Book untereinander abzustimmen. In der abgestimmten Version wurden die Besonderen Vertragsbedingungen an spezifische Anforderungen der Vergabepraxis der Entwicklungsbanken angepasst und in einen Teil A (Contract Data) und in einen Teil B (Besondere Vorschriften) aufgeteilt. Die Besonderen Vertragsbedingungen sollen möglichst kürzer werden. Das Vertragswerk sah danach keinen Anhang zum Angebot (Appendix to Tender), sondern ersatzweise Contract Data vor. Das Dispute Adjudication Board wurde für die Zwecke der Entwicklungsbanken in Dispute Board umbenannt. Zwischenzeitlich gab es mehrere Fassungen dieser sog. Red Book “harmonised version” aus dem Jahr 2005, 2006 und 2007 und 2010; schließlich zuletzt eine aus dem Jahr 2012.

Nach mehreren Gesprächen zwischen den Internationalen Entwicklungsbanken (Weltbank, EBRD u.a.)  hatte sich die Herausgabe der überarbeiteten Fassung des Red Book 1999 angebahnt. Im Mai 2005 hat die Weltbank ihre neuen SBD works veröffentlicht, die auf einer Lizenz der FIDIC basieren. In die Diskussion waren mehrere Organisationen (z.B. EIC) eingebunden. Änderungen waren vor allem zu folgenden Klauseln zu erwarten:

  • Appendix to Tender (Unterklausel 1.1.1.9)
  • Unforeseeable (Unterklausel 1.1.6.8)
  • Test after Completion (Unterklausel 1.1.3.6)
  • Interpretation (Unterklausel 1.2)
  • Communications (Unterklausel 1.3)
  • Law and Language (Unterklausel 1.4)
  • Confidential Details (Unterklausel 1.12)
  • Employers Claims/Ansprüche des Bestellers (Unterklausel 2.5)
    • Neu: Die Frist für die Mitteilung von Ansprüchen soll zukünftig bereits auch dann laufen, wenn der Besteller die maßgeblichen Umstände hätte kennen müssen
  • Employer´s Administration/Stellung des Ingenieurs (Unterklauseln 3.1, 3.4)
  • Performance Security (Unterklausel 4.2)
  • Subunternehmer (Unterklauseln 4.4, 5.3)
  • Baugrundverhältnisse (Unterklausel 4.12)
  • Protection of Environment (Unterklausel 4.18)
  • Labor (Unterklausel 6.12. bis 6.22)
  • Ownership of Plant and Materials (Unterklausel 7.7)
  • Aufmaß und Bewertung (Unterklausel 12.3)
  • Änderungsanordnungen (Unterklausel 13.7)
    • Neu: Klarstellung, dass es ausgeschlossen ist, die anspruchsbegründenden Umstände doppelt zu berücksichtigen
  • Vorauszahlung (Unterklausel 14.2)
  • Sicherheitseinbehalte (Unterklausel 14.9)
  • Kündigung durch den Besteller (Unterklausel 15.5)
  • Einstellung der Arbeiten und Vertragsbeendigung durch den Unternehmer (Unterklausel 16.2)
  • Risiko und Verantwortlichkeit/Risiken des Bestellers (Unterklausel 17.3) Haftungsbeschränkung (Unterklausel 17.6)
    • Neu: Die Risiken des Bestellers werden als solche definiert, die unmittelbar die Ausführung der Arbeiten in dem Land beeinflussen
  • Force Majeure (Unterklausel 19.4)
    • Neu: Force Majeure liegt nur noch vor, wenn die Partei verhindert ist, ihre wesentlichen verpflichtungen (substantial obligations) zu erfüllen
  • Dispute Adjudication Board (Unterklauseln 20.2, 1.1.2.9)

Die Banken beabsichtigen, zukünftig u.a. verstärkt eigene Inspektionen und Prüfungen vorzunehmen. Hierzu werden die Besonderen Vertragsbedingungen spezielle Vorschriften enthalten. Es werden Regelungen zur Behandlung von Steuern und Abgaben aufgenommen werden. Maßnahmen gegen Korruption und betrügerische Praktiken sollen ergänzend hinzukommen.

In regelmäßigen Abständen haben die Entwicklungsbanken Neufassungen des FIDIC Red Book harmonised version veröffentlicht. Die SBDW enthielten zuletzt die Fassung März 2012 (zuvor August 2010). FIDIC selbst hatte eine Fassung Juni 2010 herausgegeben. Die Neufassung enthält gegenüber den Vorauflagen erneut Änderungen, etwa eine Definition des Begriffes Cost, Vorbedingungen für den Baubeginn (z.B. Besitz der Baustelle), eine Änderung der Rechtsfolgen im Falle der Termination by Convenience und zudem Änderungen im Claim-Management. Die neu gefasste Unterklausel 20.6 verweist nicht mehr auf ICC Schiedsregeln sondern auf UNCITRAL Schiedsregeln. FIDIC hat im Juni 2010 eine eigene leicht modifizierte Version der harmonised version veröffentlicht. Zudem konnten sich die Banken nicht in allen Fällen auf ein einheitliches Regelwerk einigen. Deshalb enthält die von FIDIC veröffentlichte Version gelegentlich bankspezifische Optionen (tatsächlich macht sich das dadurch bemerkbar, dass sich in der gedruckten Version manche Seitenzahlen wiederholen). Nutzer sollten darauf achten, welche Version vereinbart wird, um Nachteile zu vermeiden.

Es wird bei der Interpretation und für das Verständnis der neuen und alten FIDIC-Bedingungen zunehmend wichtig, die Denkweise, die Argumentation und das Sicherungsbedürfnis der multilateralen Entwicklungsbanken zu berücksichtigen. Besteller und Unternehmer müssen sich diesen Anforderungen im Zweifel weitgehend beugen. Allerdings läuft der zunehmende Einfluss der Banken darauf hinaus, dass die Parteien des Bauvertrages in ein Korsett geschnürt werden, das möglicherweise an der einen oder anderen Stelle zu eng werden könnte.

Eine deutsche Übersetzung des FIDIC Red Book, das die Grundlage der SBDW 2012 darstellt, ist über den deutschen VBI erhältlich. Diese Übersetzung enthält umfassende Hinweise zur Nutzung und zum Verständnis des Red Book.

Nach der Veröffentlichung der 2. Auflage der FIDIC Vertragswerke im Jahre 2017 haben sich FIDIC und die Entwicklungsbanken auf eine Kooperation ohne eine eigenständige FIDIC Version geeinigt. Die Banken bevorzugen jetzt wieder, FIDIC Vertragswerke ausschließlich in Besonderen Vertragsbedingungen abzuändern. Die Version 2020 der Weltbank SBD sieht Änderungen in den folgenden Klauseln des FIDIC Red Book 2017 vor:

Sub-Clause 1.1.10
Sub-Clause 1.1.49
Sub-Clause 1.1.74
Sub-Clause 1.1.77
Sub-Clause 1.1.81
Sub-Clause 1.1.89
New Sub-Clauses 1.1.89 – 1.1.91
Sub-Clause 1.1.90
Sub-Clause 1.1.91
Sub-Clause1.1.92
Sub-Clause 1.2
Sub-Clause 1.5
Sub-Clause 1.6
Sub-Clause 1.17
Sub-Clause 2.4
Sub-Clause 2.6
Sub-Clause 3.2
Sub-Clause 3.3
Sub-Clause 3.4
Sub-Clause 3.6
Sub-Clause 4.1
Sub-Clause 4.2
Sub-Clause 4.2.1
Sub-Clause 4.2.2
Sub-Clause 4.2.3
Sub-Clause 4.3
Sub-Clause 4.7
Sub-Clause 4.8
Sub-Clause 4.18
Sub-Clause 4.20
Sub-Clause 4.21
Sub-Clause 4.22
Sub-Clause 4.24
Sub-Clause 5.1
Sub-Clause 5.2.2
Sub-Clause 6.1
Sub-Clause 6.2
Sub-Clause 6.5
Sub-Clause 6.7
Sub-Clause 6.9
Sub-Clause 6.12
New Sub-Clauses 6.13-6.26
Sub-Clause 7.7
Sub-Clause 8.1
Sub-Clause 11.7
Sub-Clause 13.3.1
Sub-Clause 13.4
Sub-Clause 13.6
Sub-Clause 14.1
Sub-Clause 14.2.1
Sub-Clause 14.3
Sub-Clause 14.6.2
Sub-Clause 14.7
Sub-Clause 14.9
Sub-Clause 14.12
Sub-Clause 14.15
Sub-Clause 15.1
Sub-Clause 15.2.1
New Sub-Clause15.8
Sub-Clause 16.1
Sub-Clause 16.2.1
Sub-Clause16.2.2
Sub-Clause 16.3
Sub-Clause 17.1
Sub-Clause 17.3
New Sub-Clause 17.7
Sub-Clause 18.1
Sub-Clause 18.4
Sub-Clause 18.5
Sub-Clause 19.1
Sub-Clause 19.2
Sub-Clause 19.2.1
Sub-Clause 19.2.5
Sub-Clause 20.1
Sub-Clause 20.2
Sub-Clause 21.1
Sub-Clause 21.2
Sub-Clause 21.6

Die SBD 2020 regeln unter anderem eine Verpflichtung zur Einhaltung der “ES obligations” [Environmental and social obligations]. Diese Verpflichtung soll über Unterklausel 4.2 sogar durch eine Garantie gesichert werden. Verstöße gegen ES obligations sollen auch durch Zahlungseinbehalte sanktioniert werden können (siehe Unterklausel 16.6.2 Particular Conditions SBD 2020). Aus Unterklausel 16.6.2 Particular Conditions ergibt sich, dass u.a. gemeint sind, Arbeiten außerhalb der Standortgrenzen, übermäßiger Staub, Schäden an der Vegetation außerhalb des Geländes, Verschmutzung von Wasserläufen durch Öle oder Sedimentation, Kontamination von Land, z.B. durch Öle, menschlichen Abfall, Schäden an der Archäologie oder Merkmale des kulturellen Erbes, Luftverschmutzung als Folge der unbefugten und / oder ineffizienten Verbrennung. Leider verwendet die Weltbank durchweg undefinierte Begriffe, was diese Art von Vorgaben unscharf macht und sie der Auslegung durch die Parteien und den Engineer aussetzt.

Zu Einzelheiten der im Mai 2005 veröffentlichten harmonisierten Fassung wird an anderer Stelle Stellung genommen.

Kanzlei Dr. Hök, Stieglmeier & Kollegen
Ansprechpartner: Dr. Götz-Sebastian Hök
Otto-Suhr-Allee 115,
10585 Berlin
Tel.: 00 49 (0) 30 30007600
Fax: 00 49 (0) 30 51303819
e-mail: ed.ke1713629949oh-rd1713629949@ielz1713629949nak1713629949

 

[1] Corbett ICLR 2000, 253, 255

[2] Vgl. Corbett ICLR 1999, 39, 41

[3] Corbett ICLR 2000, 253, 255