Zu Einwendungen im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines portugiesischen Urteils (nicht amtlicher Leitsatz)

Der Antragsteller hat bei dem LG Hannover die Erteilung der Vollstreckungsklausel in bezug auf das Urteil des Amtsgerichts Vila Real de Santo Antonio (Portugal) vom 8.01.2001 beantragt. Gegen den stattgegebenden Beschluss des LG Hannover haben die Antragsgegner Beschwerde zum OLG Celle erhoben. Das OLG Celle hat die Beschwerde kostenpflichtig zurückgewiesen.

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist gemäß Art 36 EuGVÜ i.V.m. §§ 11 ff AVAG zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat durch Beschluss vom 27.06.2001 das Urteil des Amtsgerichts Vila Real de Santo Antonio (Portugal) vom 8.01.2001 -Proz Nr208195 -, durch das die Schuldner zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 870.740 portugiesischen Escudos zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab 28.5.92 verurteilt worden sind, wegen eines Betrages von 792.140 portugiesischen Escudos nebst Zinsen von 15 % vom 28.5.1992 bis 29.9.1995, von 10 % vom 30.9.1995 bis 16.4.1999 und von 7% vom 17.4. 1999 bis 14.05.2001 jeweils auf 870.740 portugiesische Escudos und ab 15.5.2001 7 % Zinsen auf 792 140 portugiesische Escudos für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Die hiergegen von den Antragsgegnern mit ihrer Beschwerde erhobenen Einwendungen sind nicht begründet. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann nur abgelehnt werden. wenn der erststaatlichen Entscheidung die Anerkennung zu versagen ist (Art 34 II i.V.m. Art 27, 28 EuGVÜ). Ausreichende Gründe dafür sind jedoch nicht vorgetragen worden.

Die Anerkennung der erststaatliche Entscheidung ist nicht unvereinbar mit der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland (Art. 27 Nr. 1, 31 ff. EuGVÜ). Der Inhalt eines ausländischen Urteils verletzt die deutsche öffentliche Ordnung nur, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechtes zu den Grundprinzipien deutschen Rechts und der darin enthaltenen verfassungsrechtlich geschützten Gerechtigkeitsvorstellungen so sehr in Widerspruch steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint.

Eine Nachprüfung des erststaatlichen Urteils in der Sache selbst ist den zweitstaatlichen Gerichten im übrigen untersagt (Art 29, 34 III EuGVÜ). Es ist somit nicht nachzuprüfen, ob die erststaatliche Entscheidung prozessordnungsgemäß ergangen ist, ob sie auf zutreffenden Tatsachenfeststellungen beruht und ob materielles Recht zutreffend angewendet worden ist. Daher unterliegt das Vorbringen der Beschwerdeführer, das Urteil beruhe auf unzutreffender tatsächlicher Grundlage und auf Täuschungsmanövern des Antragstellers, ihre Beweisanträge seien zu Unrecht übergangen worden und die Gegenklage sei zu Unrecht nicht zugelassen worden, nicht der Überprüfung durch den Senat.

Soweit sie die Verletzung ihres in Deutschland grundrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs. 1 GG) geltend machen, trifft dieser Einwand schon nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegner nicht zu. Das Vorbringen der Antragsgegner, der Kaufpreis für die von ihnen vom Antragsteller erworbenen Eigentumswohnung sei nicht in Escudos sondern in Höhe von 195.000 DM vereinbart und voll bezahlt worden, ist im Tatbestand des erststaatlichen Urteils durchaus wiedergegeben und auch beschieden worden. Der Umstand, dass das portugiesische Gericht dieses Vorbringen letztlich nicht für erwiesen erachtet hat, stellt keine Verletzung rechtlichen Gehörs dar. Sofern der örtliche Bevollmächtigte es nach dem Vorbringen der Antragsgegner versäumt hat, diese über den vom Gericht dargestellten Ablauf des Verfahrens rechtzeitig zu informieren, ergibt sich daraus nicht, dass das erststaatliche Gericht prozessuale Garantien in schwerwiegender Weise zum Nachteil der Antragsgegner verletzt hat. Auch nach deutschem Zivilprozessrecht werden Terminsladungen und Zwischenentscheidungen in der Regel ausschließlich dem zum Empfang ermächtigten Prozessbevollmächtigten zugestellt.

Die nach Angaben der Antragsteller mangels zulässiger Rechtsmittel fehlende Überprüfbarkeit der portugiesischen Entscheidung durch die dortige Rechtsmittelinstanz verletzt die Antragsgegner selbst dann nicht in ihren grundlegenden prozessualen Rechten (Art 19 Abs. 3 GG), wenn gegen ein entsprechendes Urteil eines deutschen Gerichts Rechtsmittel gegeben wäre. Ein Rechtsmittel ist auch nach deutschem Recht nicht stets und nicht gegenüber jeder Entscheidung garantiert. Der Gesetzgeber ist beispielsweise frei, bei Nichterreichen der Berufungssumme (§ 511a Abs. 1 ZPO) ein Rechtsmittel zu versagen Im übrigen rechtfertigt nicht jede Abweichung des zur Anwendung kommenden erststaatlichen Verfahrensrechts von deutschem Prozessrecht schon die Versagung der Anerkennung der erststaatlichen Entscheidung sondern nur die Anwendung eines ausländischen Verfahrensrechts, das in solchem Maße von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrens abweicht, dass nicht mehr von einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren gesprochen werden kann. Dies kann allein im Hinblick auf die behauptete unter bestimmten Voraussetzungen eingreifende Versagung eines Rechtsmittels, die auch nach deutschem Recht grundsätzlich vorgesehen ist, selbst unter Abwägung der hier nicht unerheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der erststaatlichen Entscheidung, nicht festgestellt werden.

Anmerkung:

Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem die Freizügigkeit gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die vorstehende Entscheidung wird auf diesem Hintergrund verständlich.

Die Entscheidung ist lehrbuchartig begründet. Sie macht deutlich, dass ausländische Verfahren gegen deutsche Schuldner ebenso sorgfältig geführt werden müssen wie Verfahren vor inländischen Gerichten. Werden erst im nachfolgenden Inlandsverfahren über die Erteilung der Vollstreckungsklausel sachliche Einwendungen erhoben, sind diese unerheblich.

1. Die Vorschriften des Brüsseler Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens lassen die Vollstreckung aus ausländischen Gerichtsentscheidungen zu, die in den Vertragsstaaten des Übereinkommens ergangen sind. Insoweit geltend gewisse Mindeststandards, die innerhalb der Europäische Union verwirklicht sind. So ist z.B. die ordnungsgemäße Zustellung zu gewährleisten.

2. Das im Ausland gegen einen deutschen Schuldner eingeleitete Zivilverfahren ist nach den am Gerichtsort geltenden Prozessrecht zu führen. Nur in wenigen Ausnahmefällen kommen dabei noch Verstöße gegen den deutschen “ordre public” vor. So hat kürzlich der EuGH einen Verstoß gegen den deutschen ordre public bejaht (EuGH, 28.03.2000, C-7/98, NJW 2000, 1853; anschließend BGHZ 144, 390-393). In diesem Fall wurde ein deutscher Staatsangehöriger vor einem französischen Strafgericht im sog. Adhäsionsverfahren zu Schadensersatz verurteilt. Das Urteil erging als Versäumnisurteil, weil sich der deutsche Beklagte weigerte, persönlich vor Gericht zu erscheinen. Er ließ sich jedoch durch einen französischen und einen deutschen Rechtsanwalt vertreten, die im Gerichtssaal anwesend waren. Das französische Gericht sanktionierte das Nichterscheinen des Beklagten damit, dass er das Erscheinen der Anwälte so wertete, als sei niemand erschienen. Das verstieß gegen elementare Grundrechte des deutschen Beklagten.

3. Wer vor einem ausländischen Gericht innerhalb der Europäischen Union in Anspruch genommen wird, muss also für eine ordnungsgemäße und sorgsame Verteidigung Sorge tragen. Dazu gehört es ggf. auch, die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts zu überprüfen. Geschieht dies nicht, sind spätere Rügen vor dem deutschen Gericht, das über die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu befinden hat, ausgeschlossen. Lässt sich der deutsche Schuldner nicht zum Verfahren ein, kann auch ohne seine Beteiligung und sein Erscheinen ein Urteil ergehen, das in Deutschland vollstreckt werden kann. Nur in krassen Ausnahmefällen, kann später eingewendet werden, man sei nicht gehört worden. Immerhin war der deutsche Schuldner in dem von dem EuGH entschiedenen Fall anwaltlich vertreten. Wäre er nicht vor Gericht erschienen und hätte er auch keine Rechtsanwälte entsandt, wäre das Urteil des französischen Strafgerichts im Zweifel anerkannt worden und die Vollstreckung hätte zugelassen werden müssen.

4. Den Antragsgegnern des von dem OLG Celle entschiedenen Falles verbleibt nur noch die Prüfung der Frage, ob sich der für sie tätige Rechtsanwalt in Portugal einer Pflichtverletzung schuldig gemacht hat, die ihn schadensersatzpflichtig macht. Inwieweit dafür Anhaltspunkte bestehen, müßte dem portugiesischen Recht entnommen werden, denn auf den Anwaltsvertrag mit einem ausländischen Rechtsanwalt findet nach Art. 28 II EGBGB das Recht am Sitz der Kanzlei Anwendung, falls keine anderslautede Vereinbarung getroffen wurde. Zuständig wären im Zweifel die Gerichte am Sitz der Kanzlei.

5. Ab dem 1. März 2002 tritt eine weitere Verschärfung ein. Die dann in Kraft tretende Brüsseler Verordnung Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 verkürzt die Möglichkeiten, Einwände zu erheben und beschleunigt die Prozedur der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung. Dann ist noch mehr Sorgfalt bei der Prozeßführung im Ausland angebracht.

6. Den Antrag auf Vollstreckbarerklärung muss der ausländische Gläubiger vor dem Landgericht am Wohnsitz oder Sitz des inländischen Schuldners stellen. Dafür benötigt er keinen Rechtsanwalt. Allerdings muss der ausländische Gläubiger einen Zustellungsbevollächtigten im Inland benennen. Wird ein Rechtsanwalt im Inland beauftragt, entfällt diese Verpflichtung.

7. Sie finden in der Homepage der Kanzlei Dr. Hök, Stieglmeier & Kollegen weitere Beiträge und Hinweise zur grenzüberschreitenden Prozessführung und der Anerkennung ausländischer Urteile und anderer Vollstreckungstitel. Bitte schauen Sie unter der Rubrik Fachbeiträge nach.

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.