Leitsatz (nicht amtlich)
1. Die örtliche Zuständigkeit des Ausgangsgericht kann in zweiter Instanz nicht mehr überprüft werden. Das Berufungsgericht ist international zuständig, wenn trotz fehlender örtlicher Zuständigkeit irgendein Gericht in Deutschland international zuständig wäre. 2. Störer im Sinne des § 14 MarkenG ist nicht, wer an der Rechtsverletzung nicht teilgenommen hat und nichts von ihr wusste.
Tatbestand (zusammengefaßt):
Die Klägerin nahm den Beklagten wegen einer Markenrechtsverletzung in Anspruch. Eine französische S.A.R.L. hatte in Belorußland Paletten geordert, die im Transitwege über Deutschland nach Frankreich unterwegs waren. Auf den Paletten war das Zeichen EUR angebracht. Die Paletten entsprachen nicht den Vorgaben für EUR-Paletten und wurden von dem Hauptzollamt Neubrandenburg beschlagnahmt.
Die Klägerin ist ein bei dem Amtsgericht Hagen registrierter Verein, der sich mit der Wahrnehmung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder befaßt, die mit sog. UIC-Holzpaletten befaßt sind.
Die Klägerin nahm nicht die Bestellerin der Paletten, sondern einen vermeintlichen Mitarbeiter der Bestellerin auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch, der an dem eigentlichen Bestellvorgang unstreitig nicht beteiligt war. Die eigentliche Bestellerin hatte jedoch im Namen des Beklagten Schreiben an die Klägerin abgesetzt, um die Paletten wieder frei zu bekommen. Hieraus leitete die Klägerin die Passivlegitimation des Beklagten ab.
Aus den Gründen:
Auf die zulässige Berufung des Beklagten war das angefochtene Urteil zu ändern und das Versäumnisurteil vom 8. Februar 1999, gegen das der Beklagte rechtzeitig Einspruch eingelegt hatte, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Es fehlt ….. nicht an der internationalen Zuständigkeit. Allerdings ist das Landgericht Berlin örtlich nicht zuständig gewesen, denn die gerügte Markenverletzung hat sich weder im Land Berlin noch im Land Brandenburg abgespielt, sondern in Mecklenburg-Vorpommern. Dort besteht für derartige Rechtsstreitigkeiten eine Zuständigkeit des Landgerichts Rostock. Auf die fehlende örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlich befassten Gerichts kann die Berufung gemäß § 512 a ZPO jedoch nicht gestützt werden. Zu prüfen hat der Senat die internationale Zuständigkeit. Die ist aber gegeben, denn ein deutsches Gericht – das Landgericht Rostock – ist für den Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig gewesen. Die Rüge der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts in der Berufungsinstanz ist nicht zu beachten, falls statt des angerufenen ein anderes deutsches Gericht örtlich und damit international zuständig ist (vgl. BAG NJW 1971, 2143).
Aufgrund der Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit darf das Berufungsgericht lediglich nachprüfen, ob die Bundesrepublik Deutschland als solche die Rechtsprechungsaufgabe in Gestalt des konkreten Rechtsstreits übernehmen darf. Ob das Gericht erster Instanz örtlich zuständig war oder nicht, bleibt außer Betracht. Das Rechtsmittelgericht hat zu prüfen, ob irgendein deutsches Gericht bei Anwendung der deutschen Gerichtsstandsvorschriften zuständig ist. Ist dies der Fall, so ist die deutsche internationale Zuständigkeit grundsätzlich gegeben.
Dabei ist zu betonen, dass es um die internationale Zuständigkeit Deutschlands geht und nicht um die internationale Zuständigkeiten irgendeines Instanzgerichts (vgl. Geimer NJW 1972, 407 f.). Die durch § 512 a ZPO ausgeschlossene Rüge fehlender örtlicher Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts kann nicht in die Rüge fehlender internationaler Zuständigkeit gekleidet werden, wenn statt des Gerichts der Vorinstanz ein anderes gleichgeordnetes deutsches Gericht örtlich und international zuständig wäre, da es nur auf die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichts insgesamt ankommt (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 512 a Rdnr. 6; MK/Rimmelspracher, ZPO 2. Aufl., § 512 a Rdnr. 9 und Fußnote 11). Der Senat hält somit an seiner Auffassung fest, dass die internationale Zuständigkeit in derartigen Fällen gegeben ist, wie er dies schon im Urteil vom 31. März –5 U 8734/98- ausgesprochen hat.
Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte einen Markenrechtsverstoß leugnet. Im deutschen Zivilprozessrecht gilt der Grundsatz, dass Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der Klage notwendigerweise erheblich sind (sogenannte doppelrelevante Tatsachen), erst bei Prüfung der Begründetheit festgestellt werden. Für die Zulässigkeit reicht die einseitige Behauptung aller erforderlichen Tatsachen durch den Kläger aus. Es reicht insoweit die bloße schlüssige Behauptung des Klägers, der Beklage habe unbefugt gekennzeichnete Ware eingeführt. Diese Grundsätze gelten auch für die internationale Entscheidungszuständigkeit deutscher Gerichte (vgl. RGZ 95, 268; BGH NJW 1994, 1413; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Art. 5 Rdnr. 72). Nach dem Vorbringen des Klägers hat der Beklagte auch gegen § 14 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG verstoßen, da er für die Einfuhr unbefugt gekennzeichnete EURO-Paletten verantwortlich sein soll. Die rechtswidrige Benutzung eines Kennzeichens unterfällt auch dem Begriff der unerlaubten Handlung und kann an dem für diese geltenden Gerichtsstand, auch soweit es sich um den internationalen Gerichtsstand gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ handelt, verfolgt werden (vgl. BHG GRUR 1994, 530/531 – Beta).
Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es auch nicht an der Prozessführungsbefugnis des Klägers. Er ist zwar nicht Markenrechtsinhaber, vielmehr sind dies die ÖBB. Diese haben jedoch mit Lizenzvertrag vom 17. Juni 1988 den Gebrauch der Marke für das Gebiet Deutschland auf die Rechtsvorgängerin der Deutsche Bahn AG übertragen. Durch die Vereinbarung vom 31. Mai 1994 wurden deren Verpflichtungen und Rechte, also auch die zur Verfolgung von Schutzrechtsverletzungen im eigenen Namen, auf den Kläger übertragen. Er macht diese Ansprüche in zulässiger Weise als Prozeßstandschafter geltend. Es ist grundsätzlich möglich, dass ein Verband aufgrund einer Ermächtigung seiner Mitglieder in gewillkürter Prozessstandschaft vorgeht. Das neben der – wie dargestellt – vorliegenden Ermächtigung erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse des Verbandes ist gegeben, wenn die Rechtsverfolgung zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört (vgl. BGH GRUR 1983, 379/381 – „Geldmafiosi“; Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl. vor § 50 Rdnr. 60). Diese Voraussetzungen liegen hier ebenfalls vor. Der Kläger ist ein Verein, der nach seiner Satzung u. a. die gemeinsam gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt, die mit UIC-Holzpaletten befasst sind. In den Kreis dieser Aufgaben fällt nicht nur die Abwehr von Wettbewerbsverstößen, sondern auch und gerade die Abwehr von Markenverletzungen. Ein schutzwürdiges eigenes Interesse des Klägers fehlt auch nicht etwa im Hinblick auf die Entscheidung des BGH „Verbandsklage in Prozessstandschaft (WPR 1998, 175 ff). Diese Entscheidung betrifft nur das Wettbewerbsrecht. Sie findet ihre Grundlage darin, dass der Gesetzgeber den Verbänden mit der Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. UWG die eigene Verfolgungskompetenz bewusst entzogen und damit deutlich gemacht hat, dass sie nur noch zur kollektiven Wahrnehmung von Mitgliederinteressen, die für den einschlägigen Markt als repräsentativ angesehen werden können, befugt sind. Diese bewusste Beschränkung der Klagebefugnis der Verbände würde unterlaufen, wenn auch künftig eine schutzwürdiges eigenes Interesse der Verbände an der Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche von Betroffenen anerkannt würde. Nach der Neuffassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist im Wettbewerbsrecht die Rechtsverfolgung durch Verbände im Wege des Prozessstandschaft als mit dem neuen Recht unvereinbar anzusehen. Dies zeigt, dass die Entscheidung „Verbandsklage in Prozessstandschaft“ nur den Bereiche des UWG betrifft, im Übrigen aber die Rechtsprechung zur gewillkürten Prozessstandschaft fortgilt. Daher ist das Vorgehen des Klägers in gewillkürter Prozessstandschaft in diesem markenrechtlichen Fall nicht zu beanstanden. In der Ermächtigung zur Prozessführung im eigenen Namen liegt zugleich die gemäß § 30 Abs. 3 MarkenG erforderliche Zustimmung des Lizenzgebers zur Klageerhebung.
Die Klage kann dennoch keinen Erfolg haben, da der Beklagte nicht gegen § 14 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG verstoßen hat.
Entgegen seiner Auffassung ist deutsches Recht anwendbar. Allerdings verweist er zutreffend darauf, dass gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB dem Kläger ein Bestimmungsrecht hinsichtlich der Anwendbarkeit des deutschen Recht zusteht, das innerhalb der zeitlichen Grenzen des Satzes 3 dieser Vorschrift ausgeübt werden muss. Das hat der Kläger aber getan, denn es reicht aus, dass er sich in der Klageschrift auf die Vorschriften des deutschen Markengesetzes berufen hat (vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 59. Aufl., EGBGB Art. 40 Rdnr. 4). Damit hat der Kläger rechtzeitig konkludent seine Rechtswahl getroffen. Wie der Senat bereits im Urteil vom 31. März entschieden hat, fällt auch der Transit markenverletzender Waren unter § 14 MarkenG /vgl. auch Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 14 Rdnr. 124; Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 14 Rdnr. 483). Der Beklagte kann sich also nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Paletten nach Frankreich geliefert werden sollten.
Der Beklagte ist jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht als Störer anzusehen. Diese Entscheidung kann der Senat treffen, ohne dass es insoweit auf den vom Beklagten im Termin am 7. November 2000 eingereichten Arbeitsvertrag ankommt. Es ist daher nicht erforderlich, dem Kläger die beantragte Erklärungsfrist zu bewilligen. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass der Beklagte an der Bestellung mitgewirkt hat. Er folgert die Störereigenschaft des Beklagten im Briefkopf und oberhalb der Unterschrift erwähnt wird. Der Beklagte bestreitet jedoch, dass das Schreiben von ihm stammt. Er sei 1997 noch gar nicht bei der E. beschäftigt gewesen und habe lediglich privat deren Geschäftsführer bei der Suche eines Dolmetschers für ein Schreiben an das Hauptzollamt Neubrandenburg geholfen. Der Dolmetscher habe dann das Schreiben vorbereitet, das jedoch nicht er, der Beklagte, unterzeichnet habe. Dass die Unterschrift vom Beklagten stammt, stellt der Kläger jedenfalls nicht unter Beweis. Es ist auch eher unwahrscheinlich, denn die Unterschrift im Schreiben vom 8. Oktober 1997 unterscheidet sich signifikant von der eindeutig vom Beklagten stammenden Unterschrift unter dem Récépisseé (Bl. 62). Unter diesen Umständen liegt es fern, den Beklagten als Störer anzusehen. Es kann daher offen bleiben, ob auch in Deutschland – wie nach der Auffassung des Beklagten in Frankreich – eine weitgehende Privilegierung von bloßen Arbeitnehmern, die weisungsbedingt tätig werden, anzunehmen ist (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auf., UWG Einleitung Rdnr. 327 b; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kapital 14 Rdnr. 13). Selbst bei einem Organ einer AG oder GmbH scheidet Störerhaftung aus, wenn der Betreffende an der Rechtsverletzung nicht teilgenommen hat und nichts von ihr wusste (vgl. BGH GRUR 1986, 248/251 – „Sporthosen“; Senatsurteil vom 23. Mai 2000 – 5 U 9674/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Hinzu kommt noch, dass der BGH in der Entscheidung „Architektenwettbewerb“ (WRP 1997, 325/327) ausgesprochen hat, dass einem unbeteiligten Dritten der Einwand offen stehen müsse, ihm sei die Prüfungspflicht im konkreten Fall überhaupt nicht oder nur eingeschränkt zuzumuten gewesen. Da der Kläger jedenfalls nicht unter Beweis stellt, dass der Beklagte mehr ist als ein unbeteiligter Dritter, ist davon auszugehen, dass der Beklagte nicht Störer ist. Anders wäre es wohl, wenn der Beklagte tatsächlich „Generaldirektor“ gewesen wäre. Aber das behauptet der Kläger selbst nicht. Der eingereichte Auszug aus dem Handelsregister spricht gegen eine leitende Stellung des Beklagten bei den E.
Anmerkung:
Der Rechtsstreit belegt, daß Unternehmensangestellte gefährlich leben. Beteiligen sie sich im Rahmen ihrer Tätigkeit an einer Markenrechtsverletzung laufen sie Gefahr gerichtlich auf Schadensersatz und Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Jedenfalls nach deutschem Recht besteht kein Haftungsprivileg für Mitarbeiter. Im konkreten Fall war der Beklagte allerdings weder bei der eigentlichen Störerin angestellt noch war er ihr Generaldirektor, wobei anzumerken ist, daß die Position des Generaldirektors keine Organschaft darstellt.
Das Kammergericht stellt klar, daß die Eigenschaft des Störers nicht formal zu verstehen ist sondern am Normzweck definiert werden muß. Wenn der Betreffende an der Rechtsverletzung nicht teilgenommen hat und nichts von ihr wusste, so könne er auch kein Störer sein. Unbeantwortet blieb die Frage, ob und wie sich ggf. ein Haftungsprivileg ausländischer Arbeitnehmer gegenüber Haftungsansprüchen aus § 14 MarkenG durchsetzen können. An einer Entscheidung zu dieser Frage dürfte lebhaftes Interesse bestehen, denn griffe jeweils uneingeschränkt die lex loci commissi ein, wäre das Risiko der Arbeitnehmerschaft, das sich im Heimatland geschützt sieht, unübersehbar.
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