Das Thema Versicherungsdeckung gehört zu den undurchsichtigsten und kompliziertesten Themen des Auslandsbaus (siehe Hök,  Zur Versicherungsdeckung beim Auslandsbau unter Berücksichtigung der FIDIC Verträge und der Contractor´s All Risk Insurance (CAR), VersR 2009, 878). Die Versicherungsdeckung soll die Parteien des Bauvertrages vor unübersehbaren und Haftungsfolgen bewahren. Zugleich sollen beide Parteien die versicherbaren Risiken versichern, um größerem Schaden von beiden Vertragspartien abzuwenden. Die Versicherungsdeckung muss daher an die vertragliche Risikoverteilung und die tatsächlichen Haftungsrisiken angepasst sein.

Die deutsche Bauwesen- oder Bauleistungsversicherung (ABN/ABU) passt nicht (jedenfalls nicht ohne weiteres) für den Auslandseinsatz, schon gar nicht für die Deckung von Risiken aus FIDIC-Bauverträgen.

Durch den FIDIC-Bauvertrag verpflichtet sich die versichernde Partei (in der Regel ist das der Unternehmer), zur Versicherung der Arbeiten, Anlagen, Materialien sowie der Dokumente des Unternehmers, ferner des Verlusts oder der Beschädigung der Ausrüstung des Unternehmers (Cl. 18.2 FIDIC 1999).

Nach Cl. 17.3 FIDIC 1999 trägt der Unternehmer alle Risiken, die nicht ausdrücklich in Cl. 17.3 FIDIC 1999 gelistet sind. Die Versicherungsdeckung muss daher pauschal alle Arbeiten erfassen. Gemäß § 1 ABN sind versichert: Bauleistungen, Baustoffe und Bauteile für den Roh- und Ausbau oder für den Umbau des in dem Versicherungsschein bezeichneten Gebäudes einschließlich der

  1. a) als wesentliche Bestandteile einzubauenden Einrichtungsgegenstände mit Ausnahme der Sachen gemäß § 1 Nr. 2 a bis 2 c und Nr. 3;
  2. b) Außenanlagen mit Ausnahme von Gartenanlagen und Pflanzungen.

Zu fordern ist aber eine pauschale Risikoübernahme mit Risikoausschlüssen, die in den FIDIC-Bedingungen vorgesehen sind.

Die Versicherungsdeckung muss im Prinzip bis zur Erteilung des Performance Certificate aufrechterhalten werden. Nach § 8 Abs. 3 ABN endet die Haftung für Schäden an Bauleistungen, die zu Lasten des Versicherungsnehmers gehen, spätestens

  1. a) mit der Bezugsfertigkeit oder
  2. b) nach Ablauf von sechs Werktagen seit Beginn der Benutzung oder
  3. c) mit dem Tage der behördlichen Gebrauchsabnahme.

Maßgebend ist der früheste dieser Zeitpunkte.

Die Abnahme im Sine von § 640 BGB existiert im FIDIC-Vertrag nicht als einheitlicher Vorgang. Sie kann mithin zeitlich nicht exakt definiert werden. Ein Teil der Abnahmewirkungen treten mit Erteilung des Taking-Over-Certificate ein (insbesondere übernimmt der Besteller gemäß Cl. 17.2 die Gefahr des zufälligen Untergangs). Die eigentliche Gewährleistung beginnt aber erst mit der Erteilung des Performance Certificate, denn bis dahin schuldet der Unternehmer noch die Herstellung und nicht nur Mangelbeseitigung im engeren Sinne (vgl. Cl. 11.2). Ob im Baustellenland eine behördliche Gebrauchsabnahme stattfindet, ist ungewiss. Die Inbetriebnahme kann Teil des Abnahmevorgangs sein. Das wird besonders deutlich, wenn Tests after Completion vorgesehen sind. Trotz Ingebrauchnahme schuldet der Unternehmer bis zur Erteilung des Performance Certificate Mangelbeseitigung als Teil seiner Herstellungspflicht (vgl. Cl. 11.1). Für solche Leistungen können zusätzliche Vergütungsansprüche entstehen, wenn sie keine echte Mangelbeseitigung beinhalten (vgl. Cl. 11.2).

FIDIC-Bedingungen erfordern eine Versicherungsdeckung, die den vollständigen Ersatz der Wiederherstellungskosten, einschließlich Abrisskosten und Abtransport des Bauschutts und der Kosten für Beratungsdienstleistungen sicherstellt. Nach § 2 Abs. 1 ABN wird Entschädigung nur für unvorhergesehen eintretende Schäden (Beschädigungen oder Zerstörungen) an versicherten Bauleistungen oder an sonstigen versicherten Sachen geleistet. Eine Einschränkung auf unvorhergesehen eintretende Schäden ist nicht vorgesehen.

Hinzu kommt, dass die FIDIC-Bedingungen im Einzelfall auch die Deckung von Bestellerrisiken einschließen muss, soweit diese zu angemessenen wirtschaftlichen Bedingungen versicherbar sind.

Eine FIDIC-konforme Versicherungsdeckung muss also mehr umfassen als eine herkömmliche ABN/ABU-Deckung. Solche Deckungen werden in der Regel als Contractor´s All Risk Insurance (CAR) angeboten. Der FIDIC Contracts Guide weist darauf hin, dass Cl.18 FIDIC 1999 nur die typisch erhältliche Versicherungsdeckung umschreibt. Cl. 18 FIDIC 1999 verlangt aber, dass im Einzelfall die tatsächlich erhältliche Versicherungsdeckung beschafft wird. Die jeweils erforderliche exakte Versicherungsdeckung kann nur zusammen mit einem Versicherungsexperten entworfen werden. Die CAR-Deckung umfasst in aller Regel folgende Risiken:

  • Bauleistung: Alle vertraglichen Leistungen des Bauunternehmers und seiner Subunternehmen einschließlich der erforderlichen Hilfsbauten und des auf der Baustelle gelagerten und für die Durchführung des Bauvorhabens vorgesehene Material, und zwar in der Regel einschließlich der sog. „Maintenance Period“ oder wie es in FIDIC-Bedingungen heißt, die „Defects Notification period“.
  • Baustelleneinrichtung: Die gesamte für die Durchführung des Bauvorhabens erforderliche Infrastruktur einschließlich Unterkünfte, Wasser- und Elektrizitätsversorgung
  • Baugerät: Das gesamte für die Durchführung des Bauvorhabens erforderliche Gerät ohne die Fahrzeuge, die zum öffentlichen Straßenverkehr zugelassen sind
  • Haftpflicht: Sie deckt alle gesetzlichen Ansprüche Dritter aufgrund von Sach- und Personenschäden aus der Baudurchführung
  • Anlagen: Erfasst sind alle Objekte, an oder neben denen gearbeitet wird, und die sich in der Obhut oder in Gewahrsam des Versicherungsnehmers befinden und für die kein Versicherungsschutz im Rahmen der Haftpflichtversicherung besteht

Ob die CAR auch das Planungsrisiko des Design & Build Contractors deckt, ist individuell zu klären. Der Regelfall ist das eher nicht.

Auch die eigentliche Gewährleistungsphase, die mit Erteilung des Performance Certificate beginnt, ist in der CAR nicht enthalten. Ergänzende Deckung lässt sich über die Civil Engineering Completed Risk Police (CECR) erlangen. Anbieter für solche Produkte sind u.a. ReSwiss und ReMunich. Zu verhandeln sind bei der CAR Deckung:

  • Deductibles (Selbstbeteiligung)
  • Höchstsummen
  • Ergänzende Deckungen, wie z.B. für Transitrisiken, Planungsfehler, Ausrüstung und Anlagen auf der Baustelle
  • Ergänzende Deckung für verspätete Fertigstellung aufgrund eines versicherten Risikos
  • Laufzeit

Sofern die Bauleistungen in ein Land exportiert werden, in dem die französische Décennale-Haftung (Art. 1792 ff. Franz. Code Civil)übernommen wurde, soll die Versicherungsdeckung auch die eigentliche Gewährleistungsphase abdecken. Die Beschaffung einer Décennale-Deckung kann sich als schwierig erweisen. Sie muss grundsätzlich vor Baubeginn abgeschlossen werden. Der vorstehende Hinweis hat erhebliche praktische Bedeutung, denn die sogenannte Décennale gibt es nicht nur in im Stammland Frankreich und den Nachbarländern Luxemburg und Belgien. Vielmehr existieren vergleichbare Regelungen u.a. in Ägypten, Algerien, Indonesien, Irak, Kamerun, Kuwait, Libyen, Malta, Marokko, Katar, Saudi Arabien, Syrien, Tunesien, Vereinigte Arabische Emirate. Eine gesetzliche Versicherungspflicht besteht in Frankreich, Belgien, Luxemburg, Algerien und Ägypten.

Ohnehin besteht nicht stets Wahlfreiheit in Bezug auf den Versicherer. In den Ausschreibungsunterlagen können sich Vorgaben für die Auswahl des Versicherungsunternehmens finden. Oftmals werden lokale Versicherungsträger vorgeschrieben.

FIDIC geht davon aus, dass sich die Parteien vor Vertragsschluss, d.h. vor Zugang des Letter of Acceptance, über den Inhalt der Versicherungsdeckung, den Versicherer etc. einigen. Dabei ist dringend zu empfehlen, sachkundigen Rat in Anspruch zu nehmen.

Neue Fragen wirft der FIDIC Subcontract for Construction (2011) auf. Dort sieht Cl. 2.2 vor, dass der Subunternehmer die selben Pflichten du dieselbe Haftung übernimmt, wie der Hauptunternehmer. Das kann dazu führen, dass der Subunternehmer eine Haftung übernimmt, die ihm das Gesetz nicht auferlegen würde, wie z.B. in Frankreich.

Vielfach gewähren die Versicherer im Auslandsgeschäft keine projektbezogene Deckung. Vielmehr übernehmen sie Versicherungsschutz auf Claim Basis. Das bedeutet, dass die Versicherung über die gesamte Laufzeit der Haftung aufrechterhalten werden muss. Diese endet regelmäßig erst nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist.

Beispiel: Der Unternehmer verpflichtet sich, die Haftung für Mängel zu versichern. Der Vertrag wurde nach englischem Recht als “deed” geschlossen. Damit verlängert sich die gesetzliche Verjährungsfrist von sechs Jahren auf 12 Jahre. Es muss dann für 12 Jahre Versicherungsdeckung beschafft werden; die Kosten trägt ggf. der Unternehmer.

Zur Vertiefung siehe den Beitrag von Hök,  Zur Versicherungsdeckung beim Auslandsbau unter Berücksichtigung der FIDIC Verträge und der Contractor´s All Risk Insurance (CAR), VersR 2009, 878.

Kanzlei Dr. Hök, Stieglmeier & Kollegen
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