Die Weltbank und andere multilaterale Entwicklungsbanken haben in ihren Standard Bidding Documents for Works (SBDW)[1] auf der Grundlage des FIDIC Red Book 1999 eine sog. harmonisierte Fassung von Allgemeinen Vertragsbedingungen abgestimmt, die die Weltbank erstmals Anfang Mai 2005 veröffentlicht hat. Seither haben die multilateralen Entwicklungsbanken kontinuierlich Upgrades vorgenommen (z.B. in 2006 und 2010). Die aktuelle Fassung stammt aus dem März 2012/Mai 2014.

FIDIC hat diese Neufassung bis zur Fassung 2010 gebilligt. Die Weltbank ist Lizenznehmerin der FIDIC. Die Neufassung gestattet es, die Besonderen Vertragsbedingungen für Vorhaben, die von der Weltbank oder anderen multilateralen Entwicklungsbanken (z.B. EBRD) finanziert werden, erheblich kürzer zu fassen als dies früher der Fall war, als die Weltbank ihre Vorhaben noch auf der Grundlage des alten 1987 er Red Book vergab.

Die Entwicklungsbanken hatten in Bezug auf das Red Book 1999 eine Vielzahl von Änderungswünschen. Änderungen gegenüber der FIDIC Originalversion waren vor allem zu folgenden Klauseln zu erwarten:

  • Appendix to Tender (Unterklausel 1.1.1.9)
  • Unforeseeable (Unterklausel 1.1.6.8)
  • Test after Completion (Unterklausel 1.1.3.6)
  • Interpretation (Unterklausel 1.2)
  • Communications (Unterklausel 1.3)
  • Law and Language (Unterklausel 1.4)
  • Confidential Details (Unterklausel 1.12)
  • Employers Claims/Ansprüche des Bestellers (Unterklausel 2.5)
  • Employer´s Administration/Stellung des Ingenieurs (Unterklauseln 3.1, 3.4)
  • Performance Security (Unterklausel 4.2)
  • Subunternehmer (Unterklauseln 4.4, 5.3)
  • Baugrundverhältnisse (Unterklausel 4.12)
  • Protection of Environment (Unterklausel 4.18)
  • Labor (Unterklausel 6.12. bis 6.22)
  • Ownership of Plant and Materials (Unterklausel 7.7)
  • Aufmaß und Bewertung (Unterklausel 12.3)
  • Änderungsanordnungen (Unterklausel 13.7)
  • Vorauszahlung (Unterklausel 14.2)
  • Sicherheitseinbehalte (Unterklausel 14.9)
  • Kündigung durch den Besteller (Unterklausel 15.5)
  • Einstellung der Arbeiten und Vertragsbeendigung durch den Unternehmer (Unterklausel 16.2)
  • Risiko und Verantwortlichkeit/Risiken des Bestellers (Unterklausel 17.3)
  • Haftungsbeschränkung (Unterklausel 17.6)
  • Force Majeure (Unterklausel 19.4)
  • Dispute Adjudication Board (Unterklauseln 20.2, 1.1.2.9)

Die im Mai 2005 veröffentlichte harmonisierte Fassung des Red Book 1999 weist gegenüber der ursprünglichen FIDIC Fassung eine Reihe von Besonderheiten auf. Zum Teil handelt es sich um redaktionelle Änderungen. Zum Beispiel wird der Appendix to Tender durch die Contract Data (Klausel 1.1.1.10) ersetzt, eine Ändeurng, die voraussichtlich auch in das FIDIC Update einfließen wird, das zur Zeit in Bearbeitung ist. Namentlich folgende Änderungen sind gegenüber dem FIDIC Red Book 1999 zu beachten:

  • Neue Definition von „Unvorhersehbar“ in Klausel 1.1.6.8 mit Auswirkungen auf Klausel 4.12 (Bodenverhältnisse)
  • Ansprüche des Bestellers (Klausel 2.5)
  • Das Recht des Bestellers, einseitig die Befugnisse des Ingenieurs zu verändern (Klausel 3.1)
  • Einschränkung der Unabhängigkeit des Ingenieurs in Bezug auf wesentliche Befugnisse, z.B. in Bezug auf die Möglichkeit zur Gewährung von Bauzeitverlängerung und Mehrkosten (Klausel 3.1)
  • Das Recht des Bestellers, den Ingenieur einseitig auszutauschen (Klausel 3.4)
  • Die Ausweitung des Rechts des Bestellers, die Erfüllungssicherheit in Anspruch zu nehmen
  • Veränderungen in Bezug auf den Anspruch auf Bildung neuer Preise und in Bezug nicht ausgepreiste Leistungen, die im Leistungsverzeichnis enthalten sind (Klausel 12.3)
  • Teilweise Einschränkung des Rechts auf Beendigung der Arbeiten (Klausel 16.2)
  • Aus dem DAB (Dispute Adjudication Board) wird ein DB (Dispute Board), dessen Mitglieder über sprachliche und fachliche Qualifikationen verfügen müssen (Klausel 20.2)

Im März 2006 hat die Weltbank eine erneut überarbeitete Fassung der MDB-Version veröffentlicht. Hier einige der wesentlichen Änderungen:

  • Seither hat Klausel 1.1.6.8 folgenden Wortlaut: “Unvorhersehbar”  bedeutet durch einen erfahrenen Unternehmer vernünftigerweise nicht vorhersehbar zum Basisdatum.
  • Klausel 3.5 wurde um den Zusatz ergänzt, dass der Ingenieur nunmehr eine Festlegung oder Einigung binnen 28 Tagen nach Zugang des Claims mitteilen muss. Die Fristenregelung fehlte bislang.
  • Klausel 8.1 stellt nunmehr das Commencement Date unter Bedingungen. Die Urversion setzt lediglich voraus, dass der Vertrag zustande gekommen ist. Für diesen Fall soll der Ingenieur den Baubeginn anzeigen. Die MDB-Version 2006 macht den Baubeginn davon abhängig, dass ein Contract Agreement unterschrieben wurde, dass die finanziellen Vorkehrungen des Bestellers angemessen nachgewiesen sind, dass der Unternehmer Besitz an der Baustelle hat, dass der Unternehmer die Vorauszahlung erhalten hat und dass ggf. notwendige Baugnehmigungen etc. vorliegen. Die Bedingungen müssen binnen 180 Tagen nach Zugang des letter of Acceptance eintreten. Anderenfalls kann der Unternehmer den Vertrag kündigen.
  • In Klausel 13.1 hat die Weltbank einen Zusatz aufgenommen, dem zufolge der Unternehmer Einspruch gegen eine Änderungsanordnung erheben kann, die eine wesentliche Veränderung in der Reihenfolge der Arbeiten oder in Bezug auf den Fortschritt der Arbeiten auslöst. Das war bislang nur möglich, wenn die für die geänderten Arbeiten erforderlichen Materialien nicht zur Verfügung standen.
  • Klausel 16.2 wurde gegenüber der ersten MDB-Version nochmals verändert, denn der Besteller muss nun in substantieller Weise versäumen, seine Verpflichtungen nach dem Vertrag zu erfüllen, und zwar in der Art, dass er wesentlich und nachteilig das ökonomische Gleichgewicht des Vertrages und/oder die Fähigkeit des Unternehmers, die Arbeiten auszuführen, beeinträchtigt, bevor der Unternehmer kündigen kann. In der Vorversion fehlte noch der Zusatz “wesentlich und nachteilig das ökonomische Gleichgewicht”.

Die Fassung aus dem März 2012 hat zu erneuten Änderungen in folgenden Klauseln geführt:

1.1.3.7, 1.1.3.9, 1.1.6.10, 4.2., 4.13, 6.7. 6.20, 6.24, 7.7, 8.1, 12.3, 13.8, 14.2, 14.7, 14.9, 15.6, 16.2, 17.3, 17.6, 18.1, 19.4, 20.1., 20.4, 20.6.

Die EIC hat die „harmonised version“ des Red Book (Fassung 2005) in einer Pressemitteilung heftig kritisiert. Ein gewisser „Kuschelkurs“ der FIDIC kann sicherlich nicht von der Hand gewiesen werden. Immerhin hat sie eine Reihe von Konzessionen an die Auftraggeberseite gemacht. Andererseits finden sich aber auch Regelungen, die die Position des Unternehmers stärken, etwa wenn es um die Ansprüche des Bestellers geht, die dieser in Zukunft bereits ankündigen muss, wenn er die zugrunde liegenden Umstände hätte kennen müssen. Außerdem wird detailliert geregelt, mit welchem Substantiierungsgrad Ansprüche anzukündigen sind. Ob also die Änderungen tatsächlich so einseitig und kostentreibend sind, wie sie von der EIC eingeschätzt werden, muss noch näher untersucht werden. Gelegentlich dürfte die Kritik der EIC zu weit gehen. In der neuen Version 2006 hat die Weltbank einige Aspekte freundlicher im Sinne der Unternehmer geregelt. Insgesamt erscheint die neue Version ausgewogener.

In der Version 2005 hatte vor allem die neue Unvorhehbarkeitsklausel Kritik ausgelöst. Die Vorhersehbarkeitsklausel in der 1999 Ur-Auflage des Red Book, die in FIDIC-Kreisen weniger willkommen geheißen wurde, und nur im Yellow Book und im Red Book verwendet wird, führt nach Auffassung von Corbett[2] zur Weiterung eines Konzepts, das aufgrund seiner Unklarheit und aufgrund großer Interpretationsmöglichkeiten Streitigkeiten verursacht hat. Auf jeden Fall halte es den Juristen auf Trab[3]. In der praktischen Anwendung habe sich jedoch herausgestellt, dass der Begriff etwas anderes meint als er ausdrückt. Tatsächlich komme es darauf an, was ein erfahrener Auftragnehmer voraussehen und (als Betrag) ansetzen hätte können. Nur Voraussicht sei nicht genug, da die meisten Auftragnehmer die meisten Risiken und Gefahren voraussehen könnten, wenn sie bei Angebotsabgabe gefragt würden. Finanzielle Vorkehrungen dafür zu treffen sei aber eine ganz andere Sache[4]. Eben hierauf aber kommt es sicherlich an, wenn Preissicherheit eine Rolle spielt und genau diesen Aspekt hatte die Weltbank in der MDB-Version 2005 letztlich ehrlich geregelt. Niemand kann aber einer Bank vorwerfen, dass sie daran interessiert ist, den Finanzrahmen überschaubar zu halten, der für ein Vorhaben zur Verfügung gestellt werden muss.

In der MDB-Version 2005 hatte die Weltbank klargestellt, dass der erfahrene Unternehmer auf jeden Fall adäquate Vorsichtsmaßnahmen treffen soll. Nur wenn er als erfahrener Unternehmer vernünftigerweise keine Vorkehrungen treffen konnte, sollte also das Risiko aus unvorhersehbaren umständen bei dem Besteller liegen. Diese Formulierung hätte zur Folge gehabt, dass der sich der Unternehmer häufiger mit dem Argument konfrontiert gesehen hätte, zwar sei das einschlägige Vorkommnis nicht vorhersehbar gewesen, doch es hätten eben Vorkehrungen getroffen werden müssen. Andererseits muss aber zunächst geklärt werden, was ein erfahrenes Unternehmen vorhersehen kann. Dabei dürfte es weniger darauf ankommen, welche Schwierigkeiten und Probleme auftreten können, da die Unternehmen insoweit reichhaltige Erfahrungen einfließen lassen können. Problematisch ist eher abzuschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die vorhersehbaren Risiken eintreten werden. Diese Einschätzung vorzunehmen ist eine Kunst und beinhaltet selbstverständlich erhebliche Risiken. Die neuerliche redaktionelle Änderung in der Fassung 2006 kehrt näher zum Ursprungswortlaut zurück. Zukünftig ist alles unvorhersehbar, was nicht zum Base date nicht vorhergesehen werden konnte. Ob diese Änderung ein sachliche Ändeurng darstellt, hängt letztlich davon ab, wie man die Urfassung des Red Book 1999 verstanden hat (siehe oben).

Die MDB-Version des Red Book will es dem Besteller erleichtern, Einfluss auf den Ingenieur zu nehmen. Änderungen in Bezug auf die Autorität des Ingenieurs sind nach der Erstauflage des Red Book 1999 nicht ohne Weiteres möglich. Zukünftig sollen solche Änderungen nur noch der Anzeige durch den Besteller bedürfen. Richtig an der Kritik durch die EIC ist, dass eine einseitigere und engere Bindung des Ingenieurs an den Besteller mehr Risiken aufwirft. Eine „fair determination“ wird schwieriger. Jedoch dürfte es nicht richtig sein, wenn behauptet wird, der Ingenieur könne nunmehr den Vertrag einseitig ändern. Eben dies wird in Unterklausel 3.1 ausgeschlossen, denn dort heißt es: „The Engineer shall have no authority to amend the Contract“. Hierbei bleibt es auch in der Neufassung (Klausel 3.1 der Neufassung). Überdies wollen die Entwicklungsbanken eine Abkoppelung von der Institution des Ingenieurs erreichen und seine Entscheidungsaufgaben zunehmend in das Dispute Board verlagern, weil die Banken davon ausgehen, dass das Dispute Board besser gegen Einflussnahmen durch den Besteller abgesichert sei als der Ingenieur. Ob diese Auffassung allerdings zutreffend ist, muss hier dahingestellt bleiben, denn es wird in der Praxis beobachtet, dass auf die Besetzung des Board oftmals erheblicher Einfluss ausgeübt wird. Ob zudem die Unabhängigkeit der Mitglieder des Board wirklich größer ist als die eines erfahrenen und unabhängigen Ingenieurs, dürfte vor allem eine Frage der Persönlichkeit sein, jedenfalls solange institutionell abgesichert bleibt, dass die Einflussnahmemöglichkeiten durch den Besteller beschränkt bleiben.

Ohnehin geht es hier um eine Scheindiskussion, denn mit dem Erscheinen des Red Book 1999 war eine Neuerung verbudnen, die bislang offenbar nur wenig Beachtung gefunden hat. Während der Ingenieur nach Red Book 1987 noch “decision-maker” (also certifier, administrator, etc.) und Quasischiedsrichter war, was in der Formulierung to the satisfaction of the Engineer zum Ausdruck kam und in Cl. 67.1 deutlich geregelt war,  ist er im red Book 1999 nur noch für “determinations, certificates, approvals”, etc. zuständig. Seine Rolle als Quasi-Schiedsrichter hat er dagegen verloren und an das DAB abgegeben. Der Ingenieur bleibt Vertragsadministrator mit weitreichenden Kompetenzen. Doch kann seine Tätigkeit voll überprüft werden. Mithin sollte man ihn seine Aufgaben wahrnehmen lassen und gegen zu viel einseitige Einflüsse des Bestellers schützen. Letztlich führt die Möglichkeit zur Einflussnahme zu keiner Verbesserung.

Unglücklich ist daher sicherlich die Regelung in Klausel 3.1, wonach der Ingenieur in einer Reihe von Fällen, die Zustimmung des Bestellers einholen muss, bevor er seine Aufgaben wahrnimmt und seine Kompetenzen ausübt.

Seit März 2012 liegt die letzte überarbeitete Version des FIDIC Red Book “harmonised Version” vor. Änderungen gegenüber den Vorauflagen finden sich vor allem in Klauseln1.1.3.7, 1.1.3.9, 1.1.6.10, 4.2., 4.13, 6.7. 6.20, 6.24, 7.7, 8.1, 12.3, 13.8, 14.2, 14.7, 14.9, 15.6, 16.2, 17.3, 17.6, 18.1, 19.4, 20.1., 20.4, 20.6. Leider ist es bislang nicht gelungen, eine wirklich harmoniserte Fassung des Red Book herauszugeben, weil sich die Entwicklungsbanken über einige Klauseln uneins sind. Folglich finden sich vor allem im Bereich der Unterklausel 15.6 mehrere Vertragsversionen, was auf den ersten Blick etwas verwirrend wirkt.

Zeitweise hat FIDIC jährlich eine Konferenz zur MDB harmonised Version organisiert. Diese Konferenzen dienten dem Meinungsaustausch zwischen FIDIC und den Entwicklungsbanken und Einrichtungen.

Weitere Informationen zu der MDB-Version finden sich bei Appuhn/Eggink ICLR 2006, 4 ff.; Hök ICLR 2006, 405 ff.

Weitere Erläuterungen finden sich in Hök, Handbuch des internationalen und ausländischen Privatrechts, 2. Auflage, 2012.

Kanzlei Dr. Hök, Stieglmeier & Kollegen
Ansprechpartner: Dr.Götz-Sebastian Hök
Otto-Suhr-Allee 115,
10585 Berlin
Tel.: 00 49 (0) 30 3000 760-0
Fax: 00 49 (0) 30 513 03 819
e-mail: ed.ke1728084232oh-rd1728084232@ielz1728084232nak1728084232

[1] Parallel existieren auch Standard Bidding Documents for Plant and Design Build. Die Weltbank verweist bislang auf die ENAA Standards, erlaubt aber auch FIDIC Yellow Book und FIDIC Silver Book Verträge. Einzig JICA beabsichtigt bislang das Yellow Book zum Standard Bidding Docuemt für Design and Build zu erheben.

[2] Corbett ICLR 2000, 253, 255

[3] Vgl. Corbett ICLR 1999, 39, 41

[4] Corbett ICLR 2000, 253, 255