Das marokkanische Schuldrecht ist in dem Dahir “des Obligations et Contrats” (D.O.C.) (Schuldrechtsgesetz), der aus dem Jahr 1913 datiert, geregelt. Er übernimmt konzeptionell und inhaltlich viele Regelungen aus dem Code Civil (Frankreich), doch gelegentlich ist das marokkanische Zivilrecht auch von deutschen Ideen inspiriert worden (vgl. Moummi, Droit civil, Droit des obligations, 14). Dem Bauvertrag sind die Art. 723 ff. D.O.C. und Art. 759 ff. D.O.C. gewidmet. Der Werkvertrag (contrat de louage d´ouvrage) ist ein Vertrag, durch den sich eine Person verpflichtet, für eine andere Person gegen Zahlung eines Preises ein bestimmtes Werk herzustellen. Der Vertrag kommt durch einfache Willenserklärungen der Parteien zustande. Insoweit folgt das marokkanische Recht dem Gedanken der einseitigen übereinstimmenden Willenserklärungen des deutschen Rechts (Moummi, Droit civil, Droit des obligations, 14).
In der Praxis erfolgen Ausschreibungen oftmals auf der Grundlage der FIDIC Conditions 1987; allerdings findet eine französische Übersetzung der FIDIC-Bedingungen aus dem Jahre 1990 Verwendung. Ausschreibungen der öffentlichen Hand sind im Code des Marchés Public geregelt, der in französischer Übersetzung erhältlich ist.
Der Besteller ist verpflichtet, das Werk abzunehmen (Art. 774 D.O.C.) und den vereinbarten Preis zu entrichten. Der Preis ist entweder bestimmt oder bestimmbar zu vereinbaren (Art. 730 D.O.C.). Fehlt eine Preisvereinbarung kann das Gericht die Vergütung nach dem Brauch festsetzen; besteht ein Tarif oder eine Taxe, ist diese ausschlaggebend (Art. 733 D.O.C.). Es können Pauschalpreise, Preise nach Voranschlag oder Einheitspreise vereinbart werden (vgl. Nakhli, Droit des affaires, Band I, Rn. 420). Die Abnahmeverpflichtung entsteht mit mangelfreier Fertigstellung des Werkes (Art. 774 D.O.C.). Der Werklohn wird erst mit der Fertigstellung fällig (Art. 775 D.O.C.). Die Vereinbarung von Zahlungen in Zeitabschnitten oder für Teilleistungen ist zulässig (Art. 775 D.O.C.).
Der Unternehmer übernimmt insbesondere zwei Verpflichtungen. Er muss die Arbeiten in Übereinstimmung mit dem Vertrag und den beruflichen Gebäuchen ausführen und das Werk innerhalb der vereinbarten Zeit abliefern (vgl. Nakhli, Droit des affaires, Band I, Rn. 421). Für Mängel muss er einstehen (vgl. Art. 767 D.O.C.).
Insbesondere gibt es in Marokko eine zehnjährige Garantie (décennale)der Bauunternehmer gem. Art. 769 D.O.C, die unmittelbar von dem ehemaligen französischen Code Napoléon inspiriert ist. Der Architekt oder Ingenieur und der Unternehmer, die unmittelbar von dem Bauherrn beauftragt sind, sind verantwortlich, wenn innerhalb von 10 Jahren ab Fertigstellung des Bauwerks oder eines anderen Werkes, bei dem sie die Arbeiten geleitet oder ausgeführt haben, das Werk ganz oder teilweise wegen eines Materialfehlers, aufgrund von Konstruktionsmängeln oder Baugrundmängeln zusammenbricht oder die offenkundige Gefahr des Zusammenbrechens auftritt (Art. 769 Abs. 1 D.O.C.). Der Architekt, der die Arbeiten nicht geleitet hat, haftet nur für Fehler seiner Planung (Art. 769 Abs. 2 D.O.C.). Die Frist von 10 Jahren beginnt mit der Abnahme der Arbeiten zu laufen (Art. 769 Abs. 3 S. 1 D.O.C.). Die Klage muss innerhalb von dreißig Tagen ab Feststellung des haftungsbegründenden Umstandes erhoben werden; sie ist nach Ablauf der Frist unzulässig (Art. 769 Abs. 3 S. 2 D.O.C.).
Doch die Haftung nach Art. 769 D.O.C.
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setzt voraus, dass ein Konstruktionsfehler, ein Materialfehler oder ein Bodenfehler festgestellt werden kann (sie stellt also keine Haftung von Rechts wegen dar),
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wird nur im Falle des teilweisen oder vollständigen Einsturzes des Bauwerkes oder bei offensichtlicher Einsturzgefahr begründet (man ist sehr weit von der Untauglichkeit zum bestimmungsgemäßen Gebrauch),
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ist nicht Gegenstand einer generellen und gesetzlichen Versicherungspflicht.
Obwohl die Baurisikoversicherung (Tous Risques Chantier, CAR) in der Praxis ziemlich häufig vorkommt, bleibt die Versicherung der zehnjährigen Haftung (décennale) in der marokkanischen Praxis auf die großen Bauwerke beschränkt. Sie setzt eine technische Überprüfung voraus und wird nur Gewerk für Gewerk für alle Beteiligten abgeschlossen. Was die Architekten angeht, so besteht für sie eine Versicherungspflicht, die sich aus dem Art. 26 des Gesetzes 16-98 ergibt, das ihren Berufstand regelt.
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