Die nationalen Vollstreckungsgerichte und -behörden dürfen und können ihre Macht nur innerhalb der Grenzen ihrer Hoheitsmacht ausüben (vgl. RGZ 140, 340; Lord Hoffmann in: Société Eram Shipping Company Ltd. v. Hong Kong and Shanghai Banking Corp. Ltd. [2003] UKHL 30, Rn. 54; TGI Nîmes, 09.06.1998, D. 1999, 301). Liegt ein Fall mit Auslandsberührung vor, sind daher verschiedene Probleme zu bewältigen. Wie viel oder wie wenig Inlandsberührung gegeben sein muss, damit ein Pfändungszugriff erfolgen kann, und wann überhaupt von Vollstreckungsmaßnahmen gesprochen werden kann (vgl. dazu Masri v. Consolidated Contractors International Company SAL & Anor (includes Addendum) [2008] EWCA Civ 303 (04 April 2008)), illustrieren folgende Fälle aus den USA, England, Deutschland, der Schweiz und Frankreich:

(1) Harris (North Carolina) schuldete Balk (North Carolina) Geld. Als sich Harris zeitweilig in Maryland aufhielt, wurde ihm eine Pfändungsanordnung von Epstein zugestellt, der seinerseits Ansprüche gegen Balk hatte. Harris zahlte an Epstein. Balk war niemals persönlich in das Pfändungsverfahren in Maryland einbezogen worden. Nach dem Vollzug der Pfändung verklagte Balk Harris in North Carolina auf Zahlung. Harris wandte demzufolge ein, er habe aufgrund der Pfändung in Maryland bereits Zahlung geleistet. Der amerikanische Supreme Court entschied im Jahre 1905, Harris habe auf die Pfändung in Maryland vertrauen dürfen und mithin sei die Zahlung an Epstein schuldbefreiend erfolgt (Harris v. Balk 198 U.S. 215). Infolge dieser Entscheidung war es in den USA möglich, einen Drittschuldner überall dort wirksam zu pfänden, wo es die lokalen Vorschriften zuließen.

(2) In einer späteren Entscheidung Shaffer v. Heitner aus dem Jahre 1977 zog der US-Supreme Court die Grenzen enger (Shaffer v. Heitner 433 U.S. 186). Seither soll die Belegenheit von nicht gegenständlichem Vermögen (z.B. Forderungen und Gesellschaftsanteile) nicht mehr allein ausreichen, um „jurisdiction in rem“ zu begründen. Doch wird seither wiederum die Shaffer-Regel ausgelegt.

(3) Im Fall Feder v. Turkish Airlines hatte der Kläger eine Schadensersatzklage gegen Turkish Airlines in den USA angestrengt und das dortige Konto der Airline bei einer Bank in New York gepfändet, das die Airline für den Einkauf von Flugzeugteilen unterhielt. Das Gericht hielt den Inlandskontakt für ausreichend, um die Pfändung anzuordnen (Feder v. Turkish Airlines 441 F.Supp. 1273 (S.D.N.Y. 1977).

(4) In einem anderen Fall aus den USA gelang die vorläufige und zeitweilige Pfändung eines Zahlungsanspruches einer französischen Gesellschaft gegen einen kalifornischen Schuldner durch ein Unternehmen aus North Carolina wegen eines vermeintlichen Anspruches gegen die französische Forderungsinhaberin, der vor einem Schiedsgericht in New York anhängig war (Carolina Power & Light Co. v. Uranex 451 F.Supp. 1044 (N.D.Cal. 1977).

(5) In einem französischen Fall hatte Katsanis in Paris seine Autorisierung (autorisation du juge) zur Vornahme vorläufiger Vollstreckungsmaßnahmen (mesueres conservatoires) in ein Konto von Zouperov erlangt, das bei einer monegassischen Filiale einer in Frankreich ansässigen Bank geführt wurde. Die Bank wurde unter Strafandrohung verpflichtet, Auskunft über den Kontostand des bei der Filiale in Monaco geführten Kontos zu geben. Die französische Cour de Cassation wies das dagegen gerichtete Rechtsmittel ab, weil die französische Vollstreckungszuständigkeit gegeben war und die Filiale in Monaco als unselbständige Filiale (Grundsatz der Vermögenseinheit) geführt wurde (Cass.civ., 30.01.2002, JCP (E) 2003, 663, 664; TGI Paris, 28.09.1998, Gaz. Pal. 1998, 37).

(6) Der französische Liquidator einer französischen Gesellschaft machte Ansprüche gegen die spanische Muttergesellschaft der in Liquidation befindlichen Gesellschaft geltend, die wiederum über Vermögen in Form von Kontoguthaben in Frankreich verfügte. Das französische Gericht verweigerte in diesem Fall den Erlass einer Kontopfändungsermächtigung, weil die Schuldnerin ihren Sitz im Ausland besaß (TGI Nîmes, 09.06.1998, D. 1999, 301 mit ablehnender Anm. Cuniberti).

(7) In einem älteren englischen Fall hatte Martin (Gläubiger) gegen die Zweigniederlassung der Dresdner Bank AG in London eine Pfändungsanordnung erwirkt. Nadel (Schuldner) unterhielt zwar bei der Dresdner Bank ein Konto. Kontoführende Stelle war allerdings die Berliner Zweigstelle der Bank. Der Erlass der endgültigen Anordnung wurde versagt, weil die Bank nach dem Beweisergebnis Gefahr lief, doppelt in Anspruch genommen zu werden (Martin v. Nadel [1906] 2 K.B. 26; vgl. dazu auch Rheinstein RabelsZ 8 (1934), 277, 299).

(8) In einem weiteren englischen Fall verfügte die Swiss Bank über ein englisches Zahlungsurteil gegen eine Bank mit Sitz in Prag. Sie pfändete das Kontoguthaben der Bank bei der London Merchant Bank mit Sitz in London. Die London Merchant Bank verteidigte sich gegen die Pfändung mit der Behauptung, dass sie in Prag nochmals auf Zahlung in Anspruch genommen werden könne. Die Pfändung wurde bestätigt, weil die Forderung in England belegen war (Swiss Bank Corp. v. Böhmische Industrial Bank [1923] 1 K.B. 673).

(9) Der Gläubiger pfändete einen Anspruch der Ehefrau des Schuldners gegen die United Arab Bank, die in London eine Zweigniederlassung unterhielt. Kontoführende Stelle war London. Das Gericht verwarf den Einwand, es handele sich um keinen Anspruch des Schuldners, weil die Ehefrau ihrem Ehemann den entsprechenden Betrag schulde. Es bestehe keine Gefahr, dass die Ehefrau doppelt in Anspruch genommen werde und die Forderung als solche sei in England belegen (SCF Finance Co. Ltd. v. Masri (N° 3) [1987] Q.B. 1028).

(10) Im Fall Kuwait Tanker besaßen Kuwait Oil Tanker Company SAK and Sitka Shipping Inc (“KOTC”) titulierte Ansprüche gegen Qabazard, der wiederum Konten bei der UBS Bank in England und der Schweiz unterhielt. KOTC beantragten die Pfändung sämtlicher Guthaben von Qabazard bei UBS. Das House of Lords wies den Antrag auf Erlass der endgültigen Pfändungsanordnung zurück, weil Qabazard nur Guthaben bei der schweizerischen Filiale unterhielt, über die keine Gerichtsbarkeit bestehe (Kuwait Oil Tanker Company SAK and others v. UBS AG [2003] UKHL 31).

(11) In einem schweizerischen Fall standen Rokoil und Ducoil in Geschäftsbeziehung. Beide hatten ihren Sitz außerhalb der Schweiz. Die Banque de Paris hatte aber über ihre Filiale in Lugano zugunsten der Ducoil eine Garantie gestellt, die Rockoil in Genf wegen eigener Ansprüche gegen Ducoil pfänden ließ. Das Schweizerische Bundesgericht bestätigte die Pfändung (BGE 107 III, 147 ff.).

(12) Koppel hatte ein Unternehmen mit Hauptsitz in Hamburg und einer unselbständigen Filiale in Ecudaor. Das Unternehmen hatte einen Anspruch gegen V, der durch ein ecuadorianisches Gericht mit einem „embargo“ belegt worden war. Kurze Zeit später hatte eine andere Gläubigerin von Koppel in Deutschland dieselbe Forderung vermittels eines in Deutschland erwirkten Arrest- und Pfändungsbeschlusses gepfändet. Die Forderung wurde ihr überwiesen, nachdem gegen Koppel ein Versäumnisurteil ergangen war. Anschließend nahm die Gläubigerin V in Deutschland klageweise in Anspruch, die sich damit verteidigte, die Forderung sei in Ecuador vorrangig gepfändet worden. Das Gericht erachtete die Vorpfändung in Ecuador für wirksam (OLG Hamburg Niemeyer´sZ 1902, 271, 281).

(13) In einer Zahlungsklage eines in Deutschland ansässigen Klägers gegen einen in Rumänien ansässigen Schuldner (hier im Pfändungsvorgang Drittschuldner) wendete dieser die vorrangige Pfändung der Forderung zugunsten eines in Rumänien ansässigen Vollstreckungsgläubigers durch rumänische Stellen ein. Die gepfändete Forderung war zwar in Deutschland zu erfüllen, doch kam es hierauf nicht an, da eine Forderung am Sitz des Schuldners belegen ist (RGZ 36, 355, 357).

(14) Ein deutscher Gläubiger beantragt die Pfändung und Überweisung einer Forderung eines im Inland ansässigen Schuldners gegen einen Warschau ansässigen Drittschuldner. Die gegen den Drittschuldner gerichtete Forderung ist durch eine Hypothek an einem in Berlin belegenen Grundstück besichert (LG Berlin I KG Bl 1927, 128).

(15) Die im Ausland vollzogene Beschlagnahme eines Schuldscheines, der nur Beweisurkunde ist, führt nicht dazu, dass die Forderung im Ausland belegen ist (RG IPRspr. 3 (1928) Nr. 134).

(16) Eine deutsche oHG verklagte in Deutschland eine schweizerische Bank auf Auszahlung eines Bankguthabens, das ursprünglich bei der englischen Zweigniederlassung der Bank in London bestand. Englische Behörden hatten auf der Grundlage des Versailler Vertrages das Bankguthaben als Reparationsleistung in Anspruch genommen. Das RG unterstellte die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme, wies aber gleichwohl die Zahlungsklage mit der Begründung ab, es hätte der deutschen oHG oblegen, sich gegen die rechtswidrige Maßnahme zu wehren. Die schweizerische Bank habe am Sitz ihrer englischen Zweigniederlassung dem Vollstreckungszugriff der englischen Behörden unterlegen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Zugriff zu Recht erfolgte oder nicht (RGZ 132, 128, 130).

(17) Die in München sesshafte Beklagte hatte der Compagnie Royale des chemins de fer in Portugal Lokomotiven geliefert. Aus diesem Lieferverhältnis schuldete die Beklagte (Drittschuldnerin) einer Firma in Lissabon Provisionen. Die Klägerin (Vollstreckungsgläubigerin) war ihrerseits Gläubigerin der Firma in Lissabon, der die Beklagte die Provisionen schuldete. Auf Antrag der deutschen Klägerin (Vollstreckungsgläubigerin) verhängte das Amtsgericht München den dinglichen Arrest über das Vermögen der Firma in Lissabon (Schuldnerin). Zugleich wurde die Pfändung des Anspruches der Firma in Lissabon gegen die Beklagte ausgesprochen. In der Folgezeit erstritt die Klägerin gegen die Firma in Lissabon ein Zahlungsurteil und ließ sich den arretierten Anspruch überweisen. Mangels Zahlung durch die Beklagte (Drittschuldnerin) nahm die Klägerin sodann die Beklagte auf Zahlung in Anspruch. In diesem Verfahren verteidigte sich die Beklagte damit, der gepfändete Anspruch unterstehe portugiesischem Recht, unterliege nicht dem Vollstreckungszugriff der deutschen Stellen und im Übrigen sei sie erneut (aber zeitlich nach Erlass des deutschen Arrestbeschlusses und der darauf gestützten Pfändung) in Portugal in Anspruch genommen worden. Das RG verwarf die Einwände und verurteilte die Beklagte zur Zahlung (RGZ 77, 250).

(18) Die Pfändung eines Erbteils durch Zustellung an Drittschuldner in Brasilien ist zulässig (LG Bonn MDR 1955, 617).

(19) Es ist zulässig, die Ansprüche eines im Ausland (Luxemburg) ansässigen Schuldners gegen einen in Deutschland ansässigen Drittschuldner zu pfänden (OLG Saarbrücken IPRax 2001, 456).

(20) Ein Gläubiger kann aus einem in Stockholm gegen den Russischen Staat erwirkten Schiedsspruch nach Erteilung des Exequatur durch ein deutsches Gericht (KG NJOZ 2001, 727) in Deutschland grundsätzlich angebliche Ansprüche der Russischen Föderation gegen einen in Deutschland ansässigen Drittschuldner pfänden (vgl. OLG Frankfurt -26 W 101/2002-). Allerdings dürfen die gepfändeten Forderungen nicht zum vollstreckungsimmunen Vermögen des Russischen Staates gehören (OLG Köln IPRax 2004, 251, 253).

(21) Während eines Rechtstreites vor französischen Gerichten hatte die Gläubigerin sich von dem französischen Vollstreckungsrichter ermächtigen lassen, eine Forderung der Schuldnerin gegen eine in Frankfurt ansässige deutsche Bank zu pfänden. Die Gläubigerin begehrte die Vollstreckbarerklärung der Anordnung in Deutschland. Der EuGH entschied, dass eine solche Anordnung nicht unter das EuGVÜ falle, da sie in keinem kontradiktorischen Verfahren ergehe. Nur auf solche Verfahren sei das EuGVÜ anwendbar (EuGH vom 21.05.1980, Rs 125/79, IPRax 1981, 95).

(22) Nach Auffassung der französischen Cour de Cassation stellt eine in England angeordnete sog. „mareva injunction“, mit der dem Schuldner verboten wird, über sein Vermögen zu verfügen, eine vorläufige Vollstreckungsmaßnahme dar, die nach den Vorschriften des EuGVÜ anzuerkennen und sodann in Frankreich vollstreckbar sei (Cass.civ., 30.06.2004, D. 2004, 2743).

(23) Ein amerikanischer Arbeitnehmer war in Deutschland für eine deutsche Zweigniederlassung eines Unternehmens tätig, das seinen Hauptsitz in Texas hatte. Ein texanisches Gericht pfändete den Lohn des in Deutschland tätigen Arbeitnehmers für Unterhaltsansprüche seiner Ehefrau bei der Hauptniederlassung des Arbeitgebers in Texas. Das BAG erkannte die Pfändung nicht an (BAG IPRax 1997, 335; kritisch dazu Schack IPRax 1997, 318 ff.).

(24) Nach englischem Recht haben die Gerichte die Gerichtsbarkeit, um eine weltweit geltende Freezing Order zu erlassen und den Schuldner anzuweisen, Auskunft über die Belegenheit seines Vermögens zu geben. Beide Anordnungen werden als Schutzmaßnahmen zur UNterstützung englischer Hauptsacheverfahren angesehen, vgl. Section 37(1) Supreme Court Act 1981 and CPR Part 25.1 (Masri v. Consolidated Contractors International Company SAL & Anor [2007] EWHC 3010 (Comm) (20 December 2007). In dieser Entscheidung wird darauf hingewiesen, dass ein Pfändungsakt gegen einen Drittschuldner beinhaltet, dass von ihm Leistung an den Inhaber des Urteils verlangt wird, vgl. CPR Part 72.2. Tatsächlich hat diese Pfändungsanordnung die eigentumsrechtliche Wirkung, dass sie die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner in der Weise belastet, dass an den Inhaber des Urteils zu leisten ist. Die Pfändung wirkt also aus Sicht der englischen Gerichte dinglich. Dagegen hat eine Freezing Order nur relative Wirkungen, d.h. es wird der im Ausland ansässige Drittschuldner verpflichtet, nicht hingegen das Recht selbst angetastet (Masri v. Consolidated Contractors International Company SAL & Anor [2007] EWHC 3010 (Comm) (20 December 2007), at paragraph 66; vgl. auch Flightline v. Edwards [2003] 1 WLR 1200 at paragraphs 43-37).

(25) Der Fall Masri gab auch dem englischen Court of Appeal Anlass zu Beantwortung der Frage, ob das Handelsgericht zuständig war (vgl. Masri v. Consolidated Contractors International Company SAL & Anor (includes Addendum) [2008] EWCA Civ 303 (04 April 2008)). Lord Justice Collins formulierte die Mehrheitsmeinung, dass eine Freezing Order nicht unter Art. 22 Nr. 5 EuGVVO falle, weil es sich hierbei um keine Pfändungsmaßnahme sondern um eine relatives Verbot handele (Masri v. Consolidated Contractors International Company SAL & Anor (includes Addendum) [2008] EWCA Civ 303 (04 April 2008) at para. 123). Mithin waren die englischen Gerichte zuständig.

Einzelheiten zu  diesem Thema finden sich bei

  • Hök, Die grenzüberschreitende Forderungs- und Kontopfändung, MDR 2005, 306
  • Hök, Grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung, ZAP 2006, Fach 14, 519 ff.
  • Vgl. ferner Hök, Grenzüberschreitende Zustellung, ZAP 2005, Fach 25, 141 ff.;
  • Hök Europäischer Vollstreckungstitel, ZAP 2005, Fach 25, 159 ff.