Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers ist nach einer dreistufigen Prüfung erst dann sozial gerechtfertigt, wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Die Kündigung ist dann gerechtfertigt, wenn zur Zeit der Kündigung feststand, daß eine krankheitsbedingte dauernde Arbeitsunfähigkeit vorlag, bzw. der betreffende Arbeitnehmer auf nicht absehbare Zeit krankheitsbedingt seinen Verpflichtungen nicht würde nachkommen können. Nicht absehbarer Zeitraum bedeutet im Anschluß an das Beschäftigungsförderungsgesetz 2 Jahre, da während diesen Zeitraumes der Arbeitsplatz des erkrankten Arbeitnehmers mit befristet eingestellten Arbeitnehmern besetzt werden könne. In der zweiten Stufe müssen die zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitsstands des Arbeitnehmers zu einer erheblichen Beeinträchtigung des betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe erfolgt einen Interessenabwägung, in der zu prüfen ist, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmender Belastung des Arbeitgebers führt.

Der zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts vertrat in früheren Entscheidungen die Auffassung, daß die spätere Entwicklung einer Krankheit nach Ausspruch der Kündigung durchaus verwertet werden kann. Danach konnte die spätere tatsächliche Entwicklung einer Krankheit bis zum Ende der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zur Bestätigung oder Korrektur der Prognose (1. Stufe) verwertet werden. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung nunmehr dahingehend geändert, daß auch für die Beurteilung einer krankheitsbedingten Kündigung vielmehr alleine auf den Kündigungszeitpunkt abzustellen ist.

Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind nun die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Die objektiven Kriterien, nach denen der Arbeitgeber seine Zukunftsprognose zur weiteren Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers anzustellen hat, müssen bei Zugang der Kündigung vorliegen. Nachträgliche Veränderungen des Gesundheitszustandes werden nach Zugang der Kündigung nicht mehr beachtet. Das würde sonst zu dem Ergebnis führen, daß für den Arbeitgeber wegen Berücksichtigung weiterer Gesundheitsverschlechterungen des Arbeitnehmers der Ausgang des Kündigungsschutzprozesses immer weniger vorhersehbar wird. Daher haben spätere Gesundheitsentwicklungen -positiv oder negativ- bei der Entscheidung, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, außer Acht zu bleiben.

Verändert sich der Gesundheitszustand im Laufe des Kündigungsstreit, wird dem Arbeitnehmer unter Umständen ein Wiedereinstellungsanspruch bei völliger Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit eingeräumt. Erweist sich hingegen eine krankheitsbedingte Kündigung mangels negativer Gesundheitsprognose zum Kündigungszeitpunkt als unwirksam und hat sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers weiterhin nach der Kündigung verschlechtert, liegt somit erst nach Ausspruch der Kündigung eine negative Gesundheitsprognose vor, ist der Arbeitgeber darauf zu verweisen, gegebenenfalls eine erneute Kündigung auszusprechen.