Häufig ist in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung vorgesehen, dass einzelne Wohnungseigentümer berechtigt sind, Räume im Dach- oder Kellergeschoss, die in ihrem Sondereigentum stehen, zu Wohnzwecken auszubauen. Ist in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung für den Fall des Ausbaus keine Regelung zur Anpassung des Umlagemaßstabs für die Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums enthalten, kommt es meist zu Unstimmigkeiten zwischen den Eigentümern. Denn wenn die Kosten und Lasten gemäß der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 2 WEG nach Miteigentumsanteilen umgelegt werden, dann führt die Erweiterung der Wohnfläche zugunsten eines oder mehrerer Eigentümer dazu, dass ein ursprünglich im Verhältnis zum Wohnflächenanteil stehender Verteilmaßstab nicht mehr den tatsächlichen Flächenanteilen entspricht.

Die Wohnungseigentümer, deren Wohnfläche gleichgroß geblieben ist, sind meist daran interessiert, dass der Verteilmaßstab den neuen tatsächlichen Verhältnissen angepasst wird.
Die Änderung des Verteilungsmaßstabs kann aber im Grundsatz gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 WEG wirksam nur durch Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer erfolgen, es sei denn, die Gemeinschaftsordnung sieht einen Mehrheitsbeschluss vor.
Soweit einzelne Eigentümer (meist die, die den Ausbau vorgenommen haben) der Anpassung des Verteilungsschlüssels nicht zustimmen, müssen die übrigen Eigentümer sie auf Zustimmung zur Neufestlegung des Verteilungsschlüssel entsprechend den neuen Wohnflächen beim zuständigen Wohnungseigentumsgericht in Anspruch nehmen. Hiermit scheiterten sie oft vor Gericht.

I.
Ein Anspruch auf Änderung des Verteilungsschlüssels soll nach allgemeiner Meinung nur dann gegeben sein, wenn die bestehende Verteilung der Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums zu grob unbilligen, mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führt. Die Gerichte legen dabei sehr strenge Maßstäbe an. Es gibt eine Fülle von Entscheidungen, die oft maßgeblich darauf abstellen, wie groß die prozentuale Mehrbelastung der benachteiligten Eigentümer ist.
Mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 07.10.2004 (BGH Az. V ZB 22/04) erging zu diesem Problemkreis eine höchstrichterliche Entscheidung. Danach soll die Entscheidung, ob eine Regelung über die Verteilung der Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums bei Anlegung eines strengen Maßstabs zu grob unbilligen, mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führt, aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls und nicht allein nach dem Maß der prozentualen Mehrbelastung des oder der benachteiligten Wohnungseigentümer(s) erfolgen.
Von Bedeutung kann etwa sein, ob die beanstandete Regelung für alle oder nur einen Teil der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten gilt. Findet die Regelung nur auf einzelne Kostenpositionen Anwendung, kann es auf das Verhältnis der hierdurch bedingten Mehrkosten zu den einen Wohnungseigentümer insgesamt treffenden Gemeinschaftskosten an-kommen. Möglich ist es ferner, eine grobe Unbilligkeit deshalb zu verneinen, weil bei einer gebotenen längerfristigen Betrachtungsweise zu erwarten ist, dass es zu einem wirtschaftlichen Ausgleich einer einmaligen Kostenmehrbelastung kommen wird. Der Annahme grober Unbilligkeit kann es zudem entgegenstehen, wenn die Ursache einer Kostenmehrbelastung ausschließlich dem Risikobereich des betroffenen Wohnungseigentümers zuzuordnen ist oder wenn die Auswirkungen einer nicht sachgerechten Kostenverteilungsregelung bereits beim Erwerb des Wohnungseigentums absehbar waren.
Die Notwendigkeit einer sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Gesamtbetrachtung hindert daran, eine allgemeingültige Prozentgrenze festzulegen, bis zu deren Erreichen eine Kostenmehrbelastung hinzunehmen ist. In gleicher Weise schließt das Er-fordernis einer Gesamtbetrachtung aber auch umgekehrt die Annahme eines festen Grenzbetrags aus, bei dessen Überschreitung stets ein Anspruch auf Änderung der geltenden Kostenverteilungsregelung wegen grober Unbilligkeit besteht.

II.
Wenn bei Würdigung der Gesamtumstände eine grobe Unbilligkeit des Verteilungsmaßstabs und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nicht festgestellt werden kann, dann kann sich nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.10.2004 (BGH Az. V ZB 22/04) ein Änderungsanspruch dennoch aus der ergänzenden Auslegung der im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung (§ 10 Abs. 2 WEG) ergeben.
Dabei ist – wie stets bei Auslegung einer Grundbucheintragung – auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Umstände außerhalb der Eintragung und der dort zulässigerweise in Bezug genommen Unterlagen, also insbesondere der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung, dürfen herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind.
Eine ergänzende Auslegung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Gemeinschaftsordnung nicht auf einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer beruht, sondern gemäß § 8 Abs. 2 i.V.m. §§ 5 Abs. 4, 10 Abs. 2 WEG als Bestandteil der Teilungserklärung zustande gekommen ist. Denn die Regeln der ergänzenden Auslegung sind nicht auf die Anwendung bei vertraglichen Vereinbarungen beschränkt, sondern auch bei einseitigen Willenserklärungen heranzuziehen.
Verweist die Gemeinschaftsordnung hinsichtlich der Verteilung der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten auf die gesetzliche Regelung in § 16 Abs. 2 WEG und spiegeln die gemäß § 16 Abs. 2 WEG maßgebenden Miteigentumsanteile das Verhältnis der Wohnfläche wider, dann wurden die Kosten und Lasten letztlich nach der Wohnfläche der Sonderei-gentumseinheiten verteilt und auf diese Weise ein vergleichsweise hohes Maß an Verteilgerechtigkeit erreicht. Indem das Gesetz die Bestimmung der Miteigentumsanteile in das Belieben der Wohnungseigentümer stellt, lässt der teilende Eigentümer, der sich aus freien Stücken für ein sachlich zutreffendes Anteilsverhältnis entscheidet, einen Regelungsplan erkennen, wie ihn der Gesetzgeber für § 16 Abs. 1 und Abs. 2 WEG zwar nicht erzwungen, wohl aber mit Blick auf eine sachgerechte Kostenverteilung erwartet hat. Wenn Räume im Keller oder Dach zu Wohnraum ausgebaut werden, und sich damit die Wohnfläche zugunsten einzelner Wohnungseigentümer vergrößert, dann ist eine sachgerechte Kostenverteilung nicht mehr gegeben. Gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass das ursprüngliche Regelungsziel für den Fall des Ausbaus aufgegeben werden soll, kommt ein Anspruch auf Anpassung gemäß den neuen Verhältnissen in Betracht.

III.
Darüber hinaus erlauben die für die ergänzende Auslegung der Gemeinschaftsordnung heranzuziehenden Umstände, den hypothetischen Willen des teilenden Eigentümers zu ermitteln.

Hier kommen drei Möglichkeiten in Betracht:
(1) Für den Fall des Ausbaus hätte eine Umstellung des Verteilungsschlüssels vom Verhältnis der Miteigentumsanteile auf das Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen angeordnet werden können.
(2) Möglich wäre es aber auch, den benachteiligten Wohnungseigentümern einen Anspruch auf Anpassung der Miteigentumsanteile zu geben.
(3) Der Anspruch der benachteiligten Wohnungseigentümer könnte sich aber auch nur auf die Anpassung des Kostenverteilungsschlüssels richten.

Wenn sich die Verteilung der Kosten und Lasten in der Gemeinschaftsordnung nach Miteigentumsanteilen richtet, ergibt sich zwar, dass der Verteilungsschlüssel bei Veränderung der Wohnungsgrößen nicht mehr sachgerecht erscheint; Sofern aber die Gemeinschaftsordnung ausdrücklich hinsichtlich der Verteilung der Kosten und Lasten auf § 16 Abs. 2 WEG (der eine Verteilung der Kosten und Lasten nach Miteigentumsanteilen bestimmt) verweist, dann erscheint es nicht naheliegend, dass eine Umstellung auf einen anderen Verteilerschlüssel, nämlich nach Wohnfläche, gewollt wäre.
Auch erscheint es nicht angemessen, dass eine Änderung der Miteigentumsanteile gewollt wäre. Denn das würde die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft berühren und wäre daher mit weitergehenden Folgen verbunden. Die Ermittlung des hypothetischen Willens des teilenden Eigentümers kann also dazu führen, dass den benachteiligten Eigentümern gegen die anderen Eigentümer ein Anspruch auf Anpassung des Kostenverteilungsschlüssels zusteht.